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Die Seebrücke in Heringsdorf
Das beeindruckende Seebrücke in Heringsdorf wurde in den Jahren 1891-93 erbaut. Durch kaiserlichen Erlass vom 13. Januar 1891 durfte die Brücke den Namen Kaiser - Wilhelm - Brücke führen. Die betreffende Kabinettsorder besagt:
Auf den Antrag des Vorstandes der Actiengesellschaft Seebad Heringsdorf habe ich die Genehmigung dazu erteilt, daß der neuen Landungsbrücke am Kurhause von Heringsdorf der Namen Kaiser- Wilhelm - Brücke beigelegt werde.
An Bord des Eisbrechers „Berlin“, 13. Januar 1891
gez. Wilhelm R. gegengez. von Maybach.
An den Minister der öffentlichen Arbeiten.1
Der Bau der Kaiser - Wilhelm - Brücke erfolgte in zwei Schritten, so wurde zuerst der ziemlich kompakte Bereich für die Gepäckabfertigung errichtet.
Danach erfolgte erst der Bau des pagodenartigen Eingangsbereiches. Diese Bauweise erklärt auch die verhältnismäßig lange Bauzeit von zwei Jahren. Der Architekt der Seebrücke in Heringsdorf war Johannes Lange. Dieser war auch der Architekt fast aller von der Wolgaster Actien-Gesellschaft für Holzbearbeitung hergestellten Villen u. a. in den Seebädern auf Usedom und Rügen. Wenn auch noch der eindeutige Beweis fehlt, dass die Heringsdorfer Seebrücke von der Wolgaster Firma hergestellt wurde, so sprechen die Details eine eindeutige Sprache. Der Wolgaster Betrieb kann sich rühmen der erste Hersteller von Fertighäusern in Deutschland gewesen zu sein. Die von der Wolgaster Firma bzw. vom Architekten Johannes Lange entworfenen Gebäude beeindrucken durch ihre Liebe zum Detail sowie durch eine aufwendige Dachgestaltung mit Türmen und Türmchen sowie natürlich auch viele nordische Motive.
Es ist aber bisher nur Johannes Lange als Architekt des imposanten Gebäudes belegt, ob der Wolgaster Betrieb am Bau beteiligt war, ist noch nicht geklärt. Neben den Türmen waren auch die Holzblenden charakteristisch für die äußerst filigrane Kaiser – Wilhelm - Seebrücke.
Die Seebrücke von Heringsdorf hatte auch den Zweiten Weltkrieg und die ersten Nachkriegsjahre ohne sichtbare Beschädigungen überstanden und es war geplant das Restaurant auf dem Brückenkopf wieder in Betrieb zu nehmen. Aber es kam anders.
Mein Vater war Anfang der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts als Zimmermann auf dem Seesteg und am Brückenrestaurant tätig, um kleinere Reparaturarbeiten durchzuführen. Bei diesen Arbeiten wurde durch Zufall entdeckt, dass die Holzpfähle im kritischen Bereich, dort wo sie dem Wechsel von Luft und Wasser ausgesetzt waren, völlig verfault waren. Die Arbeiten wurden danach sofort eingestellt und der Seesteg und Brückenkopf gesperrt. Wenige Jahre später brannte das ungenutzte und baufällige Brückenrestaurant ab.2
Niemand ahnte zu der Zeit, dass die Ladenstrasse wenige Jahre später ebenfalls in Schutt und Asche versinkt.
Es war das Jahr 1958, kurz vor Beginn der Ostseewoche. Aus diesem Anlass hatte die Seebrücke einen neuen Farbanstrich erhalten und die Geschäfte der Ladenstrasse bekamen eine Sonderzuteilung an Waren. Doch bevor das Feiern begann, legten zwei Brandstifter Feuer auf der Seebrücke und kurze Zeit später stand die gesamte Ladenstrasse in Flammen. Die turmartigen Aufbauten vom Eingangsbereich ragten noch einige Zeit wie Feuerkegel in den Himmel, um danach ebenfalls in sich zusammen zu fallen. Noch lange verharrten viele Einheimische und Gäste vor den Trümmern der einst so stolzen Seebrücke.
Mit einer Spendenkarte wurde danach bei Einheimischen und Gästen Geld für einen Wiederaufbau der Seebrücke gesammelt. Aber der Wiederaufbau war nur ein Traum! So hatte man in den 50er Jahren mit den Wiederaufbau der zerstörten Städte und Fabrikanlagen größere Sorgen. Als nach dem Mauerbau am 13. August 1961 die Ostsee zum Grenzgebiet wurde, war an eine Seebrücke und Ausflugsverkehr nicht mehr zu denken.
Erst nach der Wende begannen die Planungen für eine neue Seebrücke. Diese wurde dann schließlich im Juni 1995 feierlich von den Heringsdorfern und ihren Gästen eingeweiht. Die neu erbaute neue Seebrücke ist 508 Meter lang und lädt wieder zum Schoppen, Flanieren und Promenieren ein. Bei einer Reise mit den Adler – Schiffen kann man das Flair einer Seereise hautnah erleben.
Seitdem ist die neue Seebrücke von Heringsdorf ist wieder ein beliebter Treffpunkt und ein Wahrzeichen von Heringsdorf.
1Dr. phil. Erich Hartwig: Chronik von Seebad Heringsdorf, Meißen, 1932, Reprint 1996, Seite 61
2Hans-Ulrich Bauer: Badegäste mit Anzug und Weste Teil II, Heringsdorf, 2007, Seite 44 – 45